Weindestillate, ob Brandy oder Cognac, wurden schon immer nicht nur pur genossen, sondern waren am Anfang der Cocktailhistorie die wichtigsten Zutaten für einen guten, heute oft „klassisch“ genannten Cocktail. Kein „Sazerac“, „Sidecar“ oder „Brandy Alexander“ und alle anderen weinbrandbasierten Köstlichkeiten der Bar dürfen heute auf einer klassischen Barkarte fehlen. Dem ist aber nicht immer so. Und so kämpfen sie seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, wieder und wieder um die Aufmerksamkeit in einem dicht besetzten Feld von Spirituosen an Bar und Regal.
Vorurteile, nicht selten auch auf der Seite der Barkeeper wie „Cognac darf man nicht mixen. Brandy sollte immer pur getrunken werden, Weinbrand und Cognac trinkt man nur aus einem großen Schwenker“ sind immer noch anzutreffen.
Wer kennt sie nicht, diese immer noch oft gehörten Aussagen was man tun und lassen soll, wenn es um den Genuss von wein- und traubenbasierten Destillaten geht.
Die Industrie hat, nicht erst seit gestern, diese Herausforderung erkannt und arbeitet nun bereits geraume Zeit wieder an Möglichkeiten, die Anwendungsseite zu erweitern und Vorurteile abzubauen. Aber es braucht Zeit – und viel Geduld – bis diese beim Endverbraucher ankommen. Ob die Hersteller diese Zeit haben, oder haben wollen, muss sich dennoch erst zeigen.
Ein moderner Vorreiter – Brandy de Jerez
Ein moderner Vorreiter der neuen Barkultur der Weindestillate ist Brandy de Jerez. Hier sticht die Marke Carlos I, sicher mit die wichtigste Brandymarke Spaniens, deutlich hervor! So lud man Barkeeper zu Wettbewerben ein und präsentierte ihnen alte sowie neue Interpretationen von Cocktails und Longdrinks, um die Vielfalt dieses edlen Getränkes aufzuzeigen und sie zu inspirieren, diese Varianten auch ihren Gästen zu kredenzen.
Natürlich gab es auch schon davor Versuche Weindestillate und Cocktails wieder salonfähig und in die Wahrnehmung der Barkeeper und ihrer Gäste zu bringen, doch erst der Carlos I. Wettbewerb scheint hier einen Durchbruch herbeigeführt zu haben. Viele der Teilgenommenen haben anschließend nachhaltig angefangen, die Wettbewerbsdrinks ihren Gästen aktiv zu offerieren! Und das durchaus mit Erfolg, denn andere Marken, wie z.B. Gran Duque d’Alba, ziehen jetzt nach (während andere Marken immer noch in alten Traditionen und Denkweisen verfangen sind)!
Brandy de Jerez aus Spanien ist also mit einigen Marken (langsam) wieder dabei den deutschen Markt zu erobern. Deren Beliebtheit steigt, die Verwendung in Bar und Restaurant zeigt die vielfältigen Möglichkeiten auf, die dieser traditionelle spanische Genuss zu bieten hat.
Auch in Kombination mit Kaffee zeigt sich in den letzten Jahren immer weiter die Vielfalt, welche es heute erlaubt großartige Verbindungen von Oloroso, Amontillado oder Pedro Ximénez gelagerten Brandy de Jerez mit edlen Kaffeesorten zu verbinden. Ein Tipp: erweitern Sie diesen Genuss noch um die Kombination von Schokolade. Es lohnt sich auf jeden Fall!
Der Klassiker – Cognac
Auch der Klassiker Cognac hat in den letzten Jahren einiges an Aufmerksamkeit erfahren. Noch vor zehn Jahren waren Cocktails mit Cognac als Basis auf fast keiner Barkarte mehr zu finden. Allenfalls traditionelle Hotelbars hatten den ein oder anderen Cocktail mit Brandy oder Cognac als Basis noch auf ihren Karten.
Sogar neue, „hippe“ Bars von ansonsten sehr unkonventionell denkenden jungen Barkeepern hatten den Cognac größtenteils überhaupt nicht mehr als Zutat für Cocktails im Blick. Auch Longdrinks waren nicht mehr angesagt.
Erst mit der Rückbesinnung der Cocktailkultur zu ihren Anfängen gelang es dem Cognac wieder den gebührenden Platz zu geben.
Mit Unterstützung des BNIC (Bureau National Interprofessionnel du Cognac) kann es, wenngleich langsam und in einem immer größer werdenden Mitbewerberumfeld, gelingen, die Kultur und historische Bedeutung des Cognacs, seine Produzenten und die Wahrnehmung wieder stärker in den Fokus der Bar und ihren Gästen zu bringen.
Einerseits durch die Wiederentdeckung als Mixzutat an der Bar mit der Neu- und Wiederentdeckung der Cocktailklassiker, andererseits aber auch durch die Häuser selbst, durch immer neuere Innovationen und Betonung (Erklärung!) der Produktionsmethoden.
Nicht immer waren diese neuen Entwicklungen auch für den Konsumenten transparent oder nachvollziehbar. Ein schmaler Grat, den einige Häuser hier gehen, denn manchmal geht diese Offenheit weiter, wie es Bar- oder Endkunden wertschätzen können. Das führte dann in einigen Fällen auch wieder zu einer Rückbesinnung auf die Tradition und traditionelle Abfüllungen.
Auch die Produzenten tun das ihrige dazu, die Welt des Cognacs bekannter und interessanter zu machen. So hat das Cognac-Haus Augier, dessen Herstellung bereits seit 1643 verbrieft ist und es demnach das älteste Cognachaus sein dürfte, bei seinen Cognacs auf die traditionellen Rebsorten Ugni Blanc und Folle Blanche gesetzt. Doch ist es zudem das einzige Haus, welches für seine Weine den Restgehalt des Weintrüb (auch bekannt als Weingeläger) angibt. Dies führt zu individueller Aromatik der Destillate und damit auch zu speziellen Aromen der fertigen Destillate. Da zum Haus auch ein Bois Ordinaire Cognac von der Mimoseninsel (L’Ile d’Oléron) im Atlantik, vor dem Département Charente-Maritime gelegen, gehört, ist dieses Haus sicher derzeit etwas sehr spezielles für besondere Cognacliebhaber und -kenner.
Auch das Cognac-Haus Larsen, in unseren Breitengraden noch wenig bekannt, in den nordischen Ländern dagegen bereits ein gern getrunkener Cognac, brachte neue Abfüllungen auf den Markt. Sie wollten versuchen, das traditionelle Image des Cognacs zu „entstauben“: bezeichnet als „Winter Edition“ und „Summer Edition“ sind beide in ihrer Charakteristik deutlich unterschiedlich, den jahreszeitlichen Aromen entsprechend, und eignen sich sowohl als Cocktailzutat, pur oder „on the rocks“ zum Genuss. Dabei ist die Winter Edition ein lang gereifter Cognac, die Sommer Edition technisch jedoch ein Eaux-de-vie, da sie auch Elemente enthält, die die zweijährige Mindestreifung noch nicht erreicht haben.
Zur Förderung der Bekanntheit und des Interesses an Cognac reicht es aber nicht, nur solche speziellen Abfüllungen anzubieten. Heute muss man bereits vor Ort in Besucherzentren und medial die Bekanntheit des Cognacs fördern, erklären und dazu mit emotionellen Präsentationen seine Herkunft, Geschichte und Besonderheiten zeigen. Wer einmal die Überquerung des kleinen Flüsschens Charante mit dem Boot des Hauses Hennessy im Rahmen einer Tour gemacht hat, dann den Blick in die Lagerhäuser, vielleicht sogar in das Paradies, werfen durfte, wird diesen Besuch nie vergessen. Und auch das olfaktorische Erlebnis des verdunstenden Cognacs, des „Part des Anges“ (Anteil der Engel), welches ebenso unvergesslich und unvergleichlich aromatisch und bewundernswert ist.
Auch andere Häuser warten mit diesen Besonderheiten auf: Courvoisier in Jarnac eröffnet sensorische Welten in seiner Ausstellung und verrät, nicht ohne Stolz, seine Verbundenheit mit Napoleon I.
Dennoch hat man auch bei diesem Haus eine Rückbesinnung auf die klassischen Qualitäten vollzogen. Während man noch vor Jahren mit Altersangaben auf den Cognacs und einem Cognac nur zum Mixen aufwartete, hat man diese Entwicklungen nun, nicht ohne Selbstbewusstsein, auf die klassischen Qualitäten des VS, VSOP und XO in Europa zurückgeführt.
Und der Abverkauf gibt ihnen Recht, denn der normale Verbraucher honoriert (leider) noch immer zuerst die traditionellen Qualitäten und mag, insbesondere beim Cognac, sich nur sehr langsam mit neuen Entwicklungen und transparenten Produktionsmethoden, oder zu viel Information, anfreunden.
In den letzten Jahren überraschen Cognac-Hersteller die Kunden jedoch auch mit nachgereiften Destillaten in diversen Fasstypen und, gemäß den Vorschriften erlaubten, Vorbelegungen, wie zum Beispiel Mizunara Eiche (Cognac Park), Tokaj Fässer (Cognac Ferrand) oder American Oak Fässer (Cognac Bache-Gabrielsen). Damit greifen sie einen Trend auf, der in anderen Spirituosenkategorien schon lange zu finden ist und der für die Kategorie des Cognacs neue Kundenkreise erschließen soll.
Beschränkt sind diese Nachreifungen (noch) durch die gesetzlichen Regelungen, welche die Reifung bzw. die Veredelung von Cognac nur in Eichenfässern erlauben, die zuvor Wein oder weinhaltigen Branntwein enthalten haben. Erlaubt sind zudem alle Cognacs, die in Sherry, Portwein oder einem anderen Weinfass gereift wurden. Dazu kommen immer öfters Cognac-Marken mit Abfüllungen auf Fassstärken. Geschmacklich sehr interessant stellen sie eine weitere Erweiterung dieser klassischen Kategorie dar.
Noch überwiegt die Rückbesinnung auf die klassischen Qualitäten, wie internationale Trends sehr deutlich bestätigen: in den USA sind die Qualitäten VS und VSOP überwiegend zum Mixen einer durchaus aufgeschlosseneren Kundschaft vorbehalten, während in Europa diese Qualitäten immer noch vornehmlich pur getrunken werden. Der asiatische Markt dagegen setzt auf Prestige und sucht nach prestigeträchtigen Abfüllungen im XO Sortiment, so dass dort die ganz teuren Qualitäten ihre Abnehmer finden.
Dies gilt auch für das Haus Rémy Martin, dass mit seinen Exklusivqualitäten in Asien große Erfolge erzielt und in Europa eine Rückbesinnung auf die traditionellen Qualitäten pflegt. Gleiches gilt auch für den Marktführer, das Haus Hennessy, welches insbesondere in den USA starkes Wachstum aufweisen kann, in Europa aber die traditionellen Abfüllungen ebenfalls in den Vordergrund stellt.
Ein besonderes Erlebnis zelebriert das Haus Camus in Cognac: dort darf man sogar auf einer speziellen Tour, unter Anleitung eines Kellermeisters, seinen eigenen Cognac kreieren! Für viele Gäste ist dies der erste Kontakt mit der für Cognac so wichtigen Kunst des Blendens, dem Arrangieren, Zusammenstellen und Verheiraten eines Destillates. Wo kann man die Kunst der Kellermeister noch so hautnah erleben und sein eigenes Produkt, mit stolz geschwellter Brust, später zu Hause seinen Freunden zeigen und mit ihnen gemeinsam degustieren? Es steht zu hoffen, dass dies auch der Marke Auftrieb verleihen wird.
Viele Häuser betreiben heute diese Zentren, nicht nur in den großen Orten wie Cognac, Segonzac oder Jarnac, sondern auch im Umland, bei kleinen Destillateuren, die sich oftmals freuen, Besuchern ihre Kunst der Destillation und Reifung näher zu bringen und dafür ihre Keller zu öffnen. Diese teilweise sehr fundierten und tiefen Einblicke in die Geschichte der Häuser und ihre individuellen Herstellungsweisen erlauben so einen Blick auf ein Destillat, welches einer weiteren Entwicklung unbedingt bedarf – und das nicht nur für die Experten.
Das BNIC unterstützt diese Aktionen vielfältig, unter anderem durch seine Broschüren und Publikationen und öffentlichkeitswirksamen Auftritten auf Messen.
Gerade auf Letzteren wird heute wieder die bereits angesprochene Tradition und zugleich Zukunft des Cognacs gezeigt: das Mixen mit Cognac. In einigen Workshops des BNIC wurde dieses Thema schon Mitte der 2000er Jahre viel Raum eingeräumt und man hat (zumindest teilweise) den Cognac durch Wiederbelebung der Klassiker der Mixkultur aus dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts damit neu aufleben lassen, wie (leicht) steigende Absatzzahlen in Deutschland und Europa in den letzten Jahren zeigen.
Armagnac – mehr als nur Millésimes
Armagnac ist ein edler französischer Weinbrand, der oft im Schatten seines berühmteren Cousins, dem Cognac, steht und fälschlicherweise oft auf Millésimes (Jahrgänge) reduziert wird. Armagnac hat eine lange und faszinierende Geschichte, eine einzigartige Herstellungsmethode und eine Vielzahl von renommierten Marken.
Die Geschichte des Armagnacs ist noch weitestgehend unbekannt und reicht doch weit bis ins 14. Jahrhundert zurück. Das macht ihn damit zu einer der ältesten Spirituosen Europas. Die Region Armagnac, die im Südwesten Frankreichs, ca. 120 km südöstlich von Bordeaux geographisch beheimatet ist, ist das Herzstück der Armagnac-Produktion. Drei Crus, das Bas-Armagnac, das Armagnac Ténarèze und das Haut Armagnac bilden die Region.
Bereits im Mittelalter wurde in dieser Region Wein angebaut und später auch destilliert, um ihn haltbarer zu machen. Am Anfang wurde Armagnac oft als Medizin und Verdauungsförderer verwendet, erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelte er sich zu einem beliebten Getränk bei den Adligen und der Aristokratie. Im Gegensatz zum Cognac war Armagnac im Südwesten des Landes in allen Schichten der Bevölkerung populär und noch heute wird Armagnac, ebenfalls im Gegensatz zum Cognac, zu gut der Hälfte der Produktion in Frankreich selbst konsumiert.
Herstellung von Armagnac
Wenig bekannt ist die Herstellung von Armagnac. Sie erfolgt in einem ähnlichen Prozess wie die Herstellung von Cognac, weist jedoch einige wichtige Unterschiede auf. Der erste Schritt besteht darin, Trauben anzubauen, hauptsächlich die Sorten Ugni Blanc, Baco (22), Colombard und Folle Blanche. Insgesamt zehn Traubensorten sind für Armagnac offiziell zugelassen.
Diese Trauben werden im Herbst geerntet und zu einem Wein fermentiert. Immer mehr Hersteller beobachten den Fermentationsprozess genauer und legen heute Wert auf Spontanfermentationen mit entsprechend überraschenden Ergebnissen. Eine Entwicklung, die es zu beobachten gilt, denn nicht immer sind die Ergebnisse dieser Spontanfermentation den traditionellen Erwartungen an Armagnac entsprechend.
Im Gegensatz zu Cognac konnte der Wein für die Destillation in Armagnac nur einmal gebrannt werden, dann allerdings in einer semi-kontinuierlichen Anlage, der „Alembic Armagnacaise“. Der Wein wird dabei sehr langsam im Gegenstromprinzip einer (kleinen) Säule erhitzt, um Alkohol zu extrahieren und die Aromen zu konzentrieren. Das Destillat, auch bekannt als „Eau-de-vie“, wird meist mit einem relativ niedrigen Alkoholgehalt von etwa 52 bis 60 Volumenprozent abgefüllt. Erlaubt sind, wie beim Cognac, aber auch hier 72%-vol. Diese Destillate gelten als „robust“ und „aromenreich“ und reifen zumeist immer noch in den traditionellen Schwarzeichenfässern („Aier-Eiche“) aus der Region.
Erlaubt ist seit 1972 auch die zweifache Destillation in den „pot charentaise“ des Cognacs. Diese Destillate gelten aber als „reiner“ als die ursprünglichen Destillate und benötigen daher andere Fässer zur Reifung, z.B. Limousin- oder Tronçaiseeichenfässer oder sogar Fässer aus amerikanischer Weißeiche.
Nach der Destillation wird der Armagnac in diesen Eichenfässern gelagert, um zu reifen. Die Fässer verleihen dem Armagnac seine charakteristische Farbe, Aromen und Geschmacksnoten. Im Laufe der Zeit nimmt der Armagnac die Aromen des Holzes auf und entwickelt eine Komplexität, die ihn von Jahr zu Jahr reifer und raffinierter macht. Am Anfang reift man den Armagnac in neuen Fässern, damit er viel Holzcharakter aufnehmen kann, der im zweiten Teil der Reifung in gebrauchten Fässern dann zu einer feinen, komplexen Art verfeinert.
Assemblage und Abfüllung schließen den Prozess ab. Verschiedene gereifte Eaux-de-Vie aus verschiedenen Crus – oder geografischen Regionen mit der richtigen Umgebung für den Anbau hochwertiger Trauben – werden zu dem finalen Armagnac verheiratet („marriage“), wobei der jüngste Weinbrand in der Mischung die Klassifizierung bestimmt.
Klassifizierung von Armagnac
Ähnlich wie beim Cognac gibt es auch beim Armagnac eine Klassifizierung, die auf dem Alter und der Reifung des Getränks basiert. Very Special (VS): VS Armagnac ist jeder Armagnac, bei dem der jüngste Brandy in der Mischung mindestens zwei Jahre gereift ist. Very Superior Old Pale (VSOP): VSOP ist jeder Armagnac, bei dem der jüngste Brandy der Mischung mindestens vier Jahre gereift ist. Extra Old (XO), auch bekannt als Napoleon Armagnac, ist eine Klasse, in der der jüngste Brandy in der Mischung mindestens sechs Jahre gereift sein muss. Hors d’âge: Diese Bezeichnung, die „über das Alter hinaus“ bedeutet, drückt aus, dass ein Armagnac mindestens zehn Jahre gereift ist.
Armagnac Millésime ist eine spezielle Kategorie von Armagnac, die sich auf Jahrgangsabfüllungen bezieht. Der Begriff „Millésime“ stammt aus dem Französischen und bedeutet „Jahrgang“. Bei Armagnac Millésimes handelt es sich um Armagnacs, die ausschließlich aus Trauben eines bestimmten Erntejahres hergestellt werden. Im Gegensatz zu „nicht-vintage“ Armagnacs, die aus einer Mischung von verschiedenen Jahrgängen hergestellt werden, wird bei Armagnac Millesimé die Singularität eines bestimmten Erntejahres betont. Dies ermöglicht es den Produzenten, den Einfluss des spezifischen Jahrgangs auf den Geschmack und das Aroma des Armagnacs zu präsentieren.
Die Herstellung von Armagnac Millésime erfolgt auf ähnliche Weise wie bei den „normalen“ Armagnacs. Die Trauben werden geerntet, zu Wein fermentiert und destilliert. Das gewonnene Destillat wird dann in Eichenfässern gereift, um die Entwicklung von Aromen und Charakter zu ermöglichen. Die Dauer der Reifung variiert je nach den Vorlieben des Produzenten, muss aber mindestens zehn Jahre betragen und kann dann aber bis zu mehreren Jahrzehnten reichen. Da Armagnac Millésime auf einem einzigen Jahrgang basiert, kann der Geschmack von Jahr zu Jahr variieren. Die Qualität und der Charakter eines bestimmten Jahrgangs hängen von verschiedenen Faktoren ab wie z.B. dem Klima während der Wachstums- und Erntezeit, der Qualität der Trauben und der Handwerkskunst des Produzenten.
Armagnac Millésime wird oft als besonders hochwertig angesehen, da sie die Besonderheiten eines bestimmten Jahrgangs einfängt. Diese Armagnacs sind oft komplex, reich an Aromen und bieten einzigartige Geschmacksprofile, die die Charakteristika des spezifischen Jahrgangs widerspiegeln. Jedes Haus kann verschiedene Jahrgänge und Qualitäten anbieten, je nach ihrer Expertise und den verfügbaren Trauben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ältere Jahrgänge von Armagnac Millésime zu höheren Preisen gehandelt werden, da sie eine längere Reifezeit durchlaufen haben können und oft als besonders begehrt gelten.
Dass Armagnac Millésime den Liebhabern von Armagnac eine Möglichkeit bietet, die Einzigartigkeit und den Charakter eines bestimmten Jahrgangs zu erkunden, ist auch auf Armagnac Messen immer wieder zu entdecken.
Allerdings sollte man vorsichtig sein, denn ein Millésime „muss“ nur zehn Jahre im Fass gelagert sein, „kann“ danach aber in einem Glasballon noch viele Jahre vor der eigentlichen Flaschenabfüllung verbringen. Dort findet keine weitere Reifung mehr statt. Hochwertige Armagnac-Produzenten weisen daher auf ihren Millésimes das Jahr der Ernte ebenso aus wie das Jahr der Fassbefüllung und das Jahr der Umfüllung auf die Flasche.
Millésimes sind sicher eine Gelegenheit, die verschiedenen Facetten der Armagnac-Produktion zu entdecken und die Vielfalt der Geschmacksprofile zu erkunden, die von Jahr zu Jahr variieren können. Doch sollte man darüber nicht vergessen, dass eine solche Vintage Abfüllung oftmals auch nur Sammlern wichtig ist oder für Inhaber mit einem hohen emotionalen Wert versehen ist.
Daher ist es wichtig auch auf die andere Seite der Abfüllungen zu schauen. Immer mehr Armagnac-Häuser haben sich dafür entschieden, ihre Produkte nicht ausschließlich als Millésimes, sondern als klassische Abfüllungen mit VS-, VSOP- und XO-Qualitäten auf den Markt zu bringen. So gelingt es, diese, ähnlich wie beim Cognac, an den Tresen der Bars auch als Bestandteil hochwertiger Cocktails und Longdrinks zu etablieren und die teils „emotionale“ Überladung der Millésimes zu verhindern.
Armagnac ist also auf dem besten Wege ein Comeback als wichtige Spirituose zum puren Genuss und zum Mixen zu durchlaufen. Dies zeigen auch neue Marken auf dem deutschen Markt. So z.B. Marquis de Montequiou aus dem Hause JACoBI Spirits. Mit den drei Qualitäten VS, VSOP und XO zielt man auf die vielfachen Anwendungsmöglichkeiten sowohl in Cocktails und Longdrinks wie auch dem einfachen puren Genuss dieser Destillate. Alle drei stammen aus drei Haupttraubensorten des Armagnac (Ugni Blanc, Folle Blanche und Baco 22) und aus dem Bas-Armagnac und Ténarèze Gebiet.
Weinbrand aus Deutschland
Und was ist mit dem klassischen Deutschen Weinbrand? Diese Frage haben sich traditionelle Häuser wie Asbach oder der im Osten sehr beliebte Wilthener Weinbrand ebenfalls, teilweise schon vor langer Zeit, gestellt. Mit dem altersbedingten Verschwinden der traditionellen Verbrauchergruppe wurde es notwendig auch für diese Marken über Verjüngungsstrategien nachzudenken. Beide Marken haben eine bestimmte Zielgruppe und versuchen sich nun neu zu positionieren.
Asbach hat mit einer Riege junger, dynamischer Barkeeper und einem leicht augenzwinkernden Stil auf Messen und in vielfältigen Seminaren in Deutschland und darüber hinaus versucht, dem altehrwürdigen Getränk einen neuen Touch zu geben. Auch hier steht die Anwendung im Cocktail im Vordergrund und die sehr gelungenen Kreationen der Barkeeper verdienen mit Sicherheit unsere Aufmerksamkeit.
Doch muss hier gelten, dass nur immerwährende, permanente Darstellung nach außen und eine beim Verbraucher auch ankommende Kampagne nachhaltig Erfolg bringen kann. Und dies kann Jahre dauern, wenn nicht sogar über einen noch längeren Zeitraum hinaus. Nur mit kurzfristigen Aktionen wird man keine langfristigen Erfolge anstoßen können. Das gilt für alle Weinbrände!
Wilthener versucht, unter dem Haus Hardenberg, ebenfalls aus dem Image der Handelsspirituose des Ostens herauszukommen und geht den Weg der Premiumisierung. Asbach hat das Prestigesegment bereits erfolgreich mit den Jahrgangsabfüllungen (1972) und seiner „Goethe“ Abfüllung (1952) erreicht; Wilthener will dort jetzt ebenfalls nachziehen. Mit einer Jubiläumsedition zum 175-jährigen Bestehen der Wilthener Weinbrennerei versucht man mit einem auf 2000 Flaschen limitierten 25-jährigen Weinbrand in die Gefilde des Premiumbrandes vorzustoßen. Ob dies alleine, trotz dieses edlen Tropfens, gelingen mag, sei aber derzeit (noch) zu bezweifeln.
Neu hinzugekommen ist in 2024 die ehemals in Stuttgart, heute in Weinstadt bei Stuttgart ansässige Weinbrandmarke JACoBI 1880. Wieder zurück in den Händen der Familie Stein will Alexander Stein dieser Marke zu neuem Glanz verhelfen. Sein Rezept sind, wie bei den anderen Marken auch, unter anderem feinste Destillate aus Frankreich und die Kunst der „Assemblage“ und „Marriage“. Man wird sehen, ob diese historische Marke wieder an die Verkaufszahlen der 1990er Jahre heranreichen kann, denn damals wurden noch sechs Millionen Flaschen des edlen Weinbrandes mit dem Slogan „Schmeckt mit 18 wie mit 80“ verkauft! Alexander Stein sieht dieses Projekt selbst als ein auf lange Sicht angelegtes Konzept und man kann nur wünschen, dass er damit Erfolg hat. Deutscher Weinbrand muss wieder seinen Platz in der Welt des Brandys erhalten!
Alkoholfreier Wein als Lieferant des Grundproduktes für Weinbrand
Der Prozess der Entalkoholisierung von Wein liefert ein weiteres, neues und interessantes Grundprodukt zur Weinbrandherstellung: das verbleibende Destillat der alkoholfreien Weine. Die unter Vakuum erzeugten Destillate sind ausdrucksstark und sehr aromatisch – ein perfekter Rohstoff zur Weinbrandherstellung. Lagerung im Fass lässt daraus köstlichen Weinbrand entstehen, wie u.a. die Produkte von Artwerk und Kammer-Kirsch zeigen.
Die Zukunft
Reichen all diese Aktionen, um den Brand aus Trauben und Wein wieder als unverzichtbare Spirituose in Bar und beim Konsumenten zu verankern? Letzte Zahlen des BSI zum Absatz von Cognac im Jahre 2021 geben für diese Kategorie Anlass zur verhaltenen Freude (Wachstum ca. 1% – nach jahrelangem Abwärtstrend). Auch Armagnac hat Grund zur Freude: immerhin ein Wachstum von 3% gegenüber dem (niedrigen) Stand des Vorjahres ist zu verzeichnen und macht Mut sich weiter damit auseinanderzusetzen.
Sicher ist, dass es langfristiger, nachhaltiger Aktionen bedarf. Einmalige Aktionen wie Wettbewerbe oder Reisen zeigen – das jedenfalls legen jahrelange Beobachtungen nahe – keine nachhaltige, langfristige Wirkung, will heißen nachhaltigen Absatz der Produkte. Barkeeper und auch Endkunden wollen heute Informationen und einen „Grund“, warum sie diesen oder jenen Weinbrand, Cognac, Armagnac oder Brandy einsetzen bzw. kaufen sollen.
Was aber könnte helfen? Natürlich ist es unverzichtbar auf die Produkte aufmerksam zu machen, d.h. sich auf Messen und mit Wettbewerben zu zeigen. Noch immer hat das Prinzip „liquid-to-lips“, als das einfache verkosten, Konsumenten immer wieder von der Qualität überzeugt.
Neue Produktlinien, den heutigen Bedürfnissen und geschmacklichen Erwartungen angepasst, sind ebenfalls erforderlich. Ehrliches Produktmarketing mit klaren, offenen, nachvollziehbaren und überprüfbaren Aussagen ist ebenfalls ein Muss in dieser Zeit.
Weinbrand, Cognac, Armagnac und Brandy sind das vergessene flüssige Gold unserer Zeit. Sie verdienen viel mehr unsere Aufmerksamkeit, ob pur getrunken oder in einem Cocktail oder Longdrink.
Es wird Zeit, sich die Zeit dafür zu nehmen!